9 Thesen zur Ausbildung von heute und morgen

Die Ausbildung wandelt sich fundamental. Wir zeichnen in neun Thesen unser Bild von Gegenwart und Zukunft der dualen Ausbildung in Deutschland.

1. Die Ausbildung hat ihre besten Zeiten noch vor sich, wenn sie bereit ist, sich weiterzuentwickeln.

Das Ausbildungssystem in Deutschland ist stark reformbedürftig. Hier sind drei Aspekte, die für eine Erweiterung/Öffnung der Berufsausbildung sprechen:

  • Junge Menschen wollen sich nicht direkt auf ein Berufsbild oder eine berufliche Perspektive festlegen. Für kommende Berufswechsel müssen neben fachlich-spezifischen Kompetenzen auch Fähigkeit vermittelt werden, mit denen sich Azubis im Laufe ihres Lebens regelmäßig weiterbilden können: Lernen zu Lernen. Dafür spricht auch der Verfall des Wertes von Wissen: einmal Gelerntes kann nicht das gesamte Berufsleben produktiv im Unternehmen eingesetzt werden.

  • Die Berufsstrukturen wandeln sich und bringen einen höheren Bedarf im Dienstleistungssektor und neuen zukunftsweisenden Ausbildungsberufen mit sich. In bestehenden Ausbildungsverordnungen müssen sich besonders Informations- und Kommunikationstechnologien mehr widerspiegeln, um Schritt halten zu können. Hinzu kommt die Nachfrage an sog. Meta-Kompetenzen wie Analyse- und Problemlösefähigkeit, die zukünftig essenziell sein werden.

  • Mit der Globalisierung wird das Thema der Internationalisierung von Ausbildung relevant. Immer mehr Betriebe bilden angelehnt an das deutsche Modell vor Ort Fachkräfte aus. Sie wirken damit dem Fachkräftemangel entgegenwirken und eröffnen gleichzeitig die Option für Deutsche ihre Ausbildung im Ausland zu absolvieren.

2. Die Studienintegrierende Ausbildung bringt die Freiheit die Gen Z so dringend sucht.

Ausbildung oder Studium? Das fragen sich viele Absolvent*innen und haben FOBO – Fear Of Better Options, die Angst, die bessere Option zu verpassen. Mit der Studienintegrierenden Ausbildung (siA) wird den Absolvent*innen diese Erstentscheidung erst einmal genommen und eröffnet mit einem Doppelabschluss oder der Wahl des Ausbildungs- oder Bachelorabschlusses eine ganz neue Flexibilität. Das neue Modell verbindet die Lernorte Berufsschule, Hochschule und Unternehmen und vermittelt gleichzeitig praktisches Knowhow, theoretisches Fachwissen sowie akademische Kompetenzen und wissenschaftliche Methoden. Gelebt wird es bereits bei der OTTO GmbH, bei der in vier Jahren die Ausbildung „Fachinformatiker*in Anwendungsentwicklung“ und der Bachelor of Science in Informatik absolviert werden können.

3. Entscheidend ist die Veränderung der Rollen aller Stakeholder.

Spätestens seit der Pandemie ist klar, dass das Lernen von Azubis selbstgesteuerter und individueller sein muss und von Ausbildungsunternehmen gefördert werden sollte. Azubis müssen Gestalter*innen ihrer Ausbildung werden, da sie als leistungsfähige Mitarbeiter*innen mit eigenen produktiven Beiträgen anzusehen sind. Ausbildungsverantwortliche (AVs) müssen sich als Begleiter*innen immer autonomerer Lernprozesse zu verstehen. Ähnlich wie der/die Meister*in im Handwerk sind sie nicht nur Vorgesetze, sondern eben auch Lehrende, die ihre Expertise weitergeben, ihre Arbeit transparent machen, Ansprechpartner*innen sind und Rahmenbedingungen für das Lernen verbessern. Für Unternehmen ist es daher wichtig, AVs stärker zu unterstützen, ihnen Möglichkeiten zu Weiterbildungen zu bspw. Personalführung, Medienkompetenz, Didaktik, zu geben, damit sie ihrer Rolle gerecht werden können.

4. Die besten Ausbildungsunternehmen nutzen ihre Azubis zugleich als Change Agents.

Dass Azubis eine Investition in potenzielle Mitarbeiter*innen sind, ist nichts Neues. Aber immer mehr Unternehmen sehen Azubis auch als Change Agents. Also als wertvolle Chance, neue Impulse zu bekommen und Veränderungen anzustoßen. Durch ihre andere Perspektive sind Azubis die perfekte Gruppe, um Dinge zu hinterfragen, eigene Ideen einzubringen und damit Arbeitsweisen zu transformieren, sich für inklusivere Unternehmenskulturen einzusetzen, Produkte / Dienstleistungen für jüngere Generationen zu gestalten und auch alternative Geschäftsmodelle zu entwickeln. Mit Azubis als Change Agents profitieren beide Seiten, es entsteht ein noch größerer Austausch auf Augenhöhe und hohes Lernpotenzial.

5. Azubis haben den Driver’s Seat übernommen.

Mit der hohen Anzahl an offenen Ausbildungsstellen und dem weiterhin hohen Bedarf an Azubis haben sich die „Machtverhältnisse“ verschoben: Azubis sind in der Position, sich passend zu ihren Ansprüchen Ausbildungsunternehmen auszusuchen. Unternehmen müssen damit umso stärker auf unterschiedlichen Kanälen kommunizieren, weshalb sie ein attraktives Ausbildungsunternehmen sind. Dafür werden Marketing- Ansätze genutzt: 6. Um Azubis für eine Übernahme zu begeistern braucht es keine 1000 Benefits.

Sobald Azubis ihre Ausbildung abgeschlossen haben, sind Unternehmen gefragt, ihnen Anreize zu bieten, für die es sich lohnt zu bleiben. Benefits, wie Sportangebote, flexible Arbeitszeiten, Sabbaticals etc., sind ein absoluter Attraktivitätsfaktor. Aber zwei Faktoren sind für eine erfolgreiche Übernahme nicht zu unterschätzen und besonders für klein- und mittelständige Unternehmen bedeutend:

  • Der Umgang mit Azubi während der Ausbildung. Und zwar vor allem im Hinblick auf die Qualität der Aufgaben. Ziel muss sein, dass Azubis möglichst wenig Arbeitszeit mit Hilfstätigkeiten verbringen. Ihnen müssen ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden. Azubis lernen am meisten durch verschiedene Aufgaben, Herausforderungen, eigene kleine Projekte und fühlen sich schneller zugehörig, wenn man ihnen mit „normalen“ Aufgaben vertraut.

  • Frühe Maßnahmen zur Bindung durch regelmäßige Gespräche zu Zielen, Vorstellungen und Ansprüchen. Ausbildungsunternehmen müssen früher kommunizieren, dass sie die Arbeit der Azubis wertschätzen und sie sich Gedanken über mögliche Einsatzstellen nach der Ausbildung machen. Sie müssen zeigen, dass sie bereit sind in das Potenzial der Azubis zu investieren und sie bei ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen.

6. Um Azubis für eine Übernahme zu begeistern braucht es keine 1000 Benefits.

Sobald Azubis ihre Ausbildung abgeschlossen haben, sind Unternehmen gefragt, ihnen Anreize zu bieten, für die es sich lohnt zu bleiben. Benefits, wie Sportangebote, flexible Arbeitszeiten, Sabbaticals etc., sind ein absoluter Attraktivitätsfaktor. Aber zwei Faktoren sind für eine erfolgreiche Übernahme nicht zu unterschätzen und besonders für klein- und mittelständige Unternehmen bedeutend:

  • Der Umgang mit Azubi während der Ausbildung. Und zwar vor allem im Hinblick auf die Qualität der Aufgaben. Ziel muss sein, dass Azubis möglichst wenig Arbeitszeit mit Hilfstätigkeiten verbringen. Ihnen müssen ausreichend Entwicklungsmöglichkeiten gegeben werden. Azubis lernen am meisten durch verschiedene Aufgaben, Herausforderungen, eigene kleine Projekte und fühlen sich schneller zugehörig, wenn man ihnen mit „normalen“ Aufgaben vertraut.

  • Frühe Maßnahmen zur Bindung durch regelmäßige Gespräche zu Zielen, Vorstellungen und Ansprüchen. Ausbildungsunternehmen müssen früher kommunizieren, dass sie die Arbeit der Azubis wertschätzen und sie sich Gedanken über mögliche Einsatzstellen nach der Ausbildung machen. Sie müssen zeigen, dass sie bereit sind in das Potenzial der Azubis zu investieren und sie bei ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen.

Dafür müssen Ausbildungsunternehmen Azubis noch mehr als Mitgestalter*innen des Unternehmens und sich selbst als Mitgestalter*innen der Azubi-Zukunft sehen und demnach handeln.

7. Das Prinzip des Gesellenstücks ist ein Win-Win.

Im Handwerk ist es nach wie vor gesetzt, dass Azubis am Ende ihrer Ausbildung ein Gesellenstück bauen, das von der Handwerkskammer bewertet wird. Während also in der Berufsschule das theoretische Wissen geprüft wird, findet auf diese Weise die Kompetenzüberprüfung in der Praxis statt. Wir fragen uns: wieso das Prinzip nicht auch in anderen Ausbildungsberufen anwenden? Gerade in den Ausbildungsbereichen, die sowieso mehr theorie-geprägt sind. Ein praktischer Teil, der im Betrieb erfüllt wird, bspw. ein eigenes Projekt, eine Produktidee, ein Konzept usw. in dem man zeigt, was man gelernt hat. Azubis könnten so eigenständig etwas ganz Eigenes erarbeiten, ihre Ideen kreativ umsetzen und ihr Gelerntes einbringen. Ausbildungsunternehmen profitieren wiederum von den Ideen, Impulsen und ggf. sogar Produkten der Azubis.

8. Die Ausbildungs-Szene kann von der Hacker- Szene so einiges lernen.

Die Hacker-Szene kennt zwar keine formalisierte Ausbildung, hat aber ganz eigene, beeindruckende Formen der Heranführung von “Novizen” ausgeprägt. Diese Formen sind in ihrer radikal anderen Herangehensweise auch als Impulse für die Ausbildung geeignet. Statt Azubis eine Aufgabe zu geben und zu erklären oder zu zeigen, wie sie am besten vorgehen, müssen sie ein Problem/eine Herausforderung, im Rahmen von bestimmen Regeln lösen. Welche Techniken, Ressourcen (Materialien, Personen, ...) sie dafür nutzen, liegt vollkommen bei ihnen. Azubis bekommen dadurch mehr Freiraum, bringen neue Impulse und Perspektiven mit in das Unternehmen, und steigern gleichzeitig ihre Problemlösekompetenz und innovatives Denken.

9. Alters-Diversität in der Ausbildung – mehr Chance als Risiko für Unternehmen.

Azubis werden immer älter: Laut BIBB hat sich die Zahl der Ausbildungsanfänger über 24 Jahre in den letzten neun Jahren fast verdoppelt und bringt Chancen im Hinblick auf den Mangel an Azubis und Fachkräften. Erfahrenere Azubis haben meist klarere Vorstellungen von ihren Zielen, sind dadurch hochmotiviert, haben vielfältige Erfahrungen und können selbstständiger arbeiten. Der Mix aus jungen und erfahrenen Azubis bringt die Möglichkeit mit sich von der Unterschiedlichkeit der Werdegänge zu lernen, sie aktiv zu nutzen, zwischen den Azubis, mit den Mitarbeiter*innen im Unternehmen aber auch in der Berufsschule. Herausforderungen sind u.a. der Anspruch auf ein höheres Gehalt, Familienvereinbarkeit und eine kürzere Lehrzeit. Und auch die unterschiedlichen Erwartungen einer heterogenen Azubi-Gruppe sind zu bedenken. Aber Umfragen zeigen, dass sich die Investition lohnt. Um Offenheit als Unternehmen zu zeigen, wäre eine altersneutrale Stellenausschreibung ein erster Schritt.

Es lässt sich festhalten, dass eine Veränderung der dualen Ausbildung längst an der Zeit ist. Die Thesen geben einen ersten Ausblick darauf, wie viele Chancen in einer Weiterentwicklung der Ausbildung stecken und zeigen, wie die duale Ausbildung in Zukunft aussehen könnte.

Wir von Lernhacks stehen gerne zur Verfügung, diese Entwicklung und ihre Implikationen für Ihre Ausbildung mit Ihnen zu diskutieren und Sie bei den anstehenden Veränderungen zu begleiten.


Sophia Martell

sophia.martell@lernhacks.de

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