Die 10%-Falle des betrieblichen Lernens vermeiden

Die Pandemie beschleunigt den Wandel des Arbeitens und Lernens in Organisationen hin zur Individualisierung, Agilität und Digitalität. Schaut euch nur an, wie viele zu Hause virtuell arbeiten und lernen, und wie schnell sich dieser Wandel vollzieht.
Aus meinem Learning&Development-Blickwinkel fällt mir auf, dass es derzeit drei Arten von Organisationen gibt und wie sie auf den massiven Wandel des betrieblichen Lernens reagieren:

Innovierer

Einige Organisationen, die vor der der Pandemie bereits über die agile, digitale Zukunft des Lernens nachgedacht und entsprechend in Köpfe, Tools und neue Formate investiert haben, sehen den 2020er Wandel (mehr oder weniger) gelassen.

Reflektierer

Einige Organisationen haben durch die Pandemie verstanden, dass der bisherige Weg der Qualifikation über Kurse und Fortbildungsprogramme sowie Tagestrainings und Web Based Trainings nicht länger funktioniert. Sie haben begonnen, das Lernen grundsätzlich zu überdenken.

Übersetzer

Die meisten Organisationen allerdings haben aus der Notwendigkeit heraus, keine Trainings und Seminare vor Ort mehr anbieten zu können, ihre bisherigen Weiterbildungsmaßnahmen ins Internet übersetzt, also ihre Angebote über virtuelle Wege weiter angeboten.

Neue und alte Budgets fließen in bekannte Lernangebote. Geht diese Strategie auf?

Selbstverständlich haben die über Learning Management Systeme angebotenen Web Based Trainings, Leitfäden und Checklisten sowie Lernvideos auch weiterhin ihre Berechtigung. Und auch ein gutes Seminar, welches nun lediglich über Video als Webinar angeboten wird, muss nicht unsinnig sein. Aber: weiterhin lernen die Mitarbeitenden mit formalen Lernangeboten. Kurzfristig geht diese nachvollziehbare Strategie auf, denn in der Pandemie musste sofort reagiert werden.

Die 10%-Falle des Lernens

Mit Blick auf 2021 allerdings sollten Organisationen, die in ihrer betrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung Potenzial sehen und mehr für eine nachhaltige, digitale und agile Lernkultur tun wollen, sich die 10% Falle des Lernens bewusst machen.

Das 70:20:10 Framework

Das 70:20:10 Framework von Charles Jennings ist hoch relevant und wird 2021 noch bedeutsamer. Es wird vielfach zitiert und für die Begründung neuer Impulse des Lernens in Organisationen - zurecht - hinzugezogen. Paradoxerweise befinden sich viele Organisationen in der 10%-Falle, oft ohne es zu merken. So investieren viele Personalabteilungen nicht den Großteil ihres Budgets in soziale und informelle Lernaktivitäten, sondern in formelle Angebote.
Wenn wir entlang des 70:20:10 Modells davon ausgehen, dass Mitarbeitende ihre Kompetenzen nur zu circa 10% mithilfe formaler Lernangebote entwickeln und dabei der Großteil des Weiterbildungsbudgets dort landet, verbrennen Organisationen also weitgehend Ressourcen in einem Bereich des Lernens, der den geringsten Impact auf die Skills der Mitarbeitenden und damit auf das Business hat.

70:20:10 ernst nehmen und Budgets umverteilen

Gemessen am Einfluss des informellen Lernens auf die Entwicklung berufsbezogener Kenntnisse und Fähigkeiten sollten Organisationen in Zukunft 70% ihrer Ressourcen darauf verwenden, die Tools und Inhalte zur Verfügung zu stellen, mit denen Mitarbeitende, Führungskräfte und Teams weitegehend eigenverantwortlich im Arbeitsalltag lernen können. Das verdrängt zwar den zentralen Steuerungsanspruch der Organisation, setzt im Gegenzug aber viele kreative und innovative Potenziale frei. Und ist damit genau das, was aktuell viele agile Unternehmen erfolgreich macht: Empowerment, Graswurzelinitiativen und eine starke Unternehmenskultur. Zudem sollten Organisationen sich Gedanken über den Arbeitsplatz der Mitarbeitenden machen und beginnen, ihn auch als Lernumgebung zu gestalten.

3 Startpunkte, um aus der 10%-Falle des Lernens heraus zu kommen:

  1. Bilde Personalentwickler:innen und Trainer zu agilen Lerncoaches aus, damit sie die Mitarbeitenden im Arbeitsalltag beim Lernen begleiten und unterstützen können.

  2. Etabliere die Regel: Arbeitszeit = Lernzeit und gib allen Mitarbeitenden unbegrenzten Zugriff auf vorhandene Lernressourcen und -programme sowie freien Content bei Wiki, YouTube und Co.

  3. Starte gemeinsam mit Führungskräften ein Pilotprojekt in Teams und Abteilungen, um Personen zu unterstützen und ihre Arbeitsplätze lernförderlich zu gestalten.

Bist du schon in die 10%-Falle getappt? Wie bist du heraus gekommen? Welche Startpunkte könnten hier noch stehen? Lass’ uns drüber reden.

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